Sozialphobie
Kolumnen

„Manchmal erdrückt mich die Angst förmlich“ – Ausnahmezustand Sozialphobie und Festival

Menschenmassen, lange Wartezeiten, große Ansammlungen von Party People und natürlich riesige Crowds vor noch größeren Bühnen. Dinge, die für uns zum gängigen Festival-Alltag gehören, ein Teil des ganz normalen Wahnsinns. Diese Umstände sind für Menschen, die an einer Sozialphobie leiden, allerdings nicht „Party-Feeling“ sondern absoluter Ausnahmezustand. Trotzdem haben wir jemanden gefunden, der die Situation aus Sozialphobie und Musik-Festivals schon des Öfteren gemeistert hat. Wie fühlt man sich mit dieser Krankheit auf den größten Harder Styles Veranstaltungen Europas? Wir haben nachgefragt.

Zwischen Hardstyle, Glück und Panikattacken

Was für uns mit purer Freude zu tun hat, kann bei Menschen, die an einer Sozialphobie leiden, zu Angstzuständen und Panikattacken führen. Doch beginnen wir bei den Basics: Was ist eine Sozialphobie eigentlich? „Alljenes was, wie der Name schon verrät, mit sozialen Kontakten und Menschen zu tun hat, löst eine Art innerlichen Stress aus und lässt mich teilweise sogar in einen Zustand der Trance verfallen.“ verrät mir Laura, Festival-Liebhaberin trotz Sozialphobie, aus Österreich. „Eigentlich kämpfe ich mit allem, was mit persönlichen Kontakten und Ansammlungen von Personen (insbesondere wenn ich diese nicht kenne) zusammenhängt. Einkaufen gehen, in einem Restaurant zu Abend zu essen, all diese Dinge sind für mich eine Herausforderung.“

„Manchmal sind die Panik-Anfälle so stark und die Angst so groß, dass ich schon einige Festivals absagen musste, da ich mich nur noch auf diese Angst konzentrieren konnte.“ Doch warum tut man sich die Tortur, diesen Umständen auf einem Konzert oder einer Party, in extremsten Ausmaßen ausgesetzt zu sein, eigentlich an? Kann Liebe zur Musik so groß sein? Wir alle kennen jemanden, der bereits tausende Kilometer zu seinem Lieblings-Event des Jahres zurückgelegt hat, das jährliche Familientreffen deshalb absagte oder sonstigen Aufwand „nur für ein Festival“ betrieb. Hier reden wir allerdings von purem psychischen Stress, welchem diese Personen ausgesetzt sind. „In erster Linie ist es die Musik, die Bühnen, das Feuerwerk und um ehrlich zu sein, das Gefühl doch irgendwie dazu zu gehören, obwohl ich sonst immer eher der Außenseiter, das strange kid, bin. Die Liebe zur Musik ist einfach stärker, auch wenn mir das Geschehen rundherum Angst einjagt und ich nicht weiß, wie mein Körper darauf reagieren wird“, lässt mich Laura wissen.

Planung ist das A und O

Aber worin liegt eigentlich der Unterschied? Worauf müssen Menschen mit Sozialphobie besonders achten, überhaupt während Ausnahmezuständen wie z.B. auf Festivals? Die Planung ist hier das A und O des gesamten Aufenthaltes. Laura erzählt mir, das sie wissen muss wie ihr Tag abläuft. „Zum Beispiel plane ich bereits im Vorhinein wann ich essen gehe, wohin ich essen gehe und rechne mir bereits aus, zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort wenig los sein könnte. Dies sind alles Dinge, worauf ich besonders achte um einem eventuellen Kreislaufzusammenbruch vorzubeugen.“

Mir liegt die Frage des „Warums?“ trotzdem noch auf der Zunge. Und was von meinem eigenen, grundsätzlich überglücklichen Festival-Erlebnis für Menschen mit Sozialphobie eigentlich noch übrig bleibt. Ist es schön eine Party zu besuchen, auf der jederzeit etwas schlimmes passieren könnte? Auf diese Nachfrage, bekomme ich ein schlichtes, ehrliches: „Wenn alles nach Plan läuft und nichts unerwartetes passiert, ist es wunderschön. Natürlich halte ich mich immer eher in den etwas ruhigeren Bereichen auf und habe stets ein Auge darauf, wo sich Rettungskräfte befinden. Dennoch bleibt mir wahnsinnig viel Freude, solange mich nichts aus meiner geplanten Tagesstruktur bringt.“

Laura, Festival-Liebhaberin mit Sozialphobie

„Trau dich!“

Sozialphobie und Festival, auch wenn die Unterschiede zu einem „normalen“ Ablauf gravierend sind, scheint es zu funktionieren. Doch gilt das im Allgemeinen? „Nein, natürlich nicht“, korrigiert mich Laura. „Es kommt immer darauf an wie stabil eine Person ist. Trotzdem würde ich jedem, der ebenfalls unter dieser Krankheit leidet, Tipps geben, zur Seite stehen und Mut machen es zu versuchen. Ganz klar gibt es viele Trigger-Punkte auf diesen Veranstaltungen, aber ich möchte Menschen wirklich darin bestärken, es zu versuchen.“

„Das Geheimnis liegt für mich im planen, wenn mein Tag von 8 Uhr morgens bis 4 Uhr morgens durchgeplant ist, bin ich auf der sicheren Seite und das kann ich auch jedem raten, der in der selben Haut steckt, wie ich es tue. Ich weiß es selbst am besten, dass es Momente gibt, an denen man einfach nur heulen möchte, aber es kann nicht besser werden, wenn man sich solchen Situationen nie stellt. “ äußert sich Laura mit ernster Miene. Natürlich gilt dabei, dass man nicht unüberlegt in das kalte Wasser springen und direkt ein 4-tägiges Open-Air mit Tausenden Menschen besuchen sollte. Sicherheit geht in jedem Falle vor! Zuletzt fügt die Festival-Liebhaberin noch hinzu: „Wenn dies jemand liest, der mit den selben Problemen zu kämpfen hat. Rede darüber! Trau dich! Geh hin! Und auch wenn es nur ein Tag ist, versuche es!“

Nachwort

Mein größter Respekt gilt jenen, die unter einer Sozialphobie leiden und dennoch diese Strapazen, aus Liebe zur Musik, auf sich nehmen. Laura, welcher unsere Unterhaltung nicht leicht fiel, die mir aber dennoch offen, ehrlich und geduldig jede Frage beantwortete. Und natürlich allen, die Kämpfe austragen, welche man mit freiem Auge nicht erkennen kann.

Ihr habt weitere Themen, denen zu wenig Beachtung geschenkt wird, oder kennt jemanden, der seine/ihre Geschichte mit unserer Hardstyle Family teilen möchte? Meldet euch bei uns auf unseren Socials und wir erzählen eure persönliche Story.

Wir berichten natürlich nicht nur über eure Festival-Geschichten, sondern auch über jede Menge neue Musik, wie die neue EP von Uptempo DJ Barber, oder stellen euch Artists vor, die ihr kennen solltet, wie den österreichischen Idustrial DJ Hardez.

Lydia
“I want to represent an idea, possibilities. I want to represent the idea that I can create whatever I want to create.” - Bogotá, Miss K8 & Angerfist

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